Kunst & Architektur in gelsenkirchen

Das Musiktheater im Revier Gelsenkirchen wurde am 15. Dezember 1959 eröffnet. Architekt des Bauwerks war Werner Ruhnau, der Komplex umfasst zwei Bühnen, die dem Musik- und Tanztheater gewidmet sind Ruhnau wollte die Künstler am Bau direkt beteiligen, er wollte nicht ergänzende Kunst am Bau, sondern Baukunst schaffen, in der die Kunstwerke mit der Architektur auf einer Stufe stehen sollten. Werner Ruhnau hatte im März 1957 die Ausstellung des deutschen Bildhauers Norbert Kricke in der Galerie Iris Clert besucht, und bei dieser Gelegenheit einige monochrome Bilder Yves Kleins gesehen. Am Folgetag suchte er den Maler auf, und aus dieser Begegnung entwickelte sich eine Freundschaft, die in der Beteiligung Kleins an der Ausstattung des Musiktheaters in Gelsenkirchen mündete. Die Beziehungen Yves Kleins nach Deutschland wurden intensiv – er stellte seine Monochromes in der Eröffnungsausstellung der Galerie Schmela in Düsseldorf aus, und lernte mit Rotraut, der Schwester des Zero-Künstlers Günther Uecker seine zukünftige Frau kennen. Am Tag der Vernissage bei Schmela, am 31. Mai 1957, bewarb sich Klein um den Auftrag für die künstlerische Ausstattung des Foyers des Musiktheaters Gelsenkirchen, der ihm im Januar 1858 – vermittelt durch Norbert Kricke und Werner Ruhnau – erteilt wurde. Am 22. Mai 1959 erhielt auch Jean Tinguely den Auftrag, für das Musiktheater in Gelsenkirchen tätig zu werden – er sollte zwei grosse bewegliche Reliefs schaffen,. Die Arbeiten mussten bis im August abgeschlossen sein. Zu dieser Zeit weilte Yves Klein schon länger in Gelsenkirchen, er arbeitete unermüdlich an seinen blauen Schwammreliefs im Foyer des Theaters. Bereits Ende Mai 1959 wurde in der Galerie Iris Clert in Paris eine Ausstellung eröffnet mit dem Titel Collaboration Internationale entre artistes et architectes dans la réalisation du nouvel Opéra de Gelsenkirchen.

 

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Jean Tinguely im Neuen Stadttheater vor einem seiner kinetischen Wandobjekte
© bpk / Charles Wilp

Als Architekt war und ist es mein Bestreben, neben den technischen Sonderfachleuten für Statik, Materialkunde, Heizungs-, Lüftungstechnik, Akustik usw. auch Künstler als ‘Sonderfachleute für Ästhetik’, insbesondere die Maler und Bildhauer, zum Mitgestalten des Werks zu gewinnen. Architektur als eine Disziplin der Künste fordert seit altersher das Mitspiel von Malern und Bildhauern.

Diese Praxis geriet mit dem Beginn der Moderne weitgehend in Vergessenheit, Die Wiederbelebung dieser von den alten Baumeistern geübten Praxis, in Bauhütten zusammen zu arbeiten, führte zu Anregungen sowohl für die Künstlergruppe ZERO in Düsseldorf als auch zum Neuen Realismus, der im Oktober 1960 in Paris u.a. mit Jean Tinguely, Yves Klein und Pierre Restany gegründeten Künstlergruppe.

In unserer Bauhütte haben u.a. Jean Tinguely, Yves Klein, Anita Ruhnau, Paul Dierkes, Franz Krause und ich die ‘Partei der blauen Patrioten’ gegründet. Yves Klein und ich planten für ein paradiesisches Miteinander der Menschen ‘klimatisierte Oasen’. Wir entwarfen das ‘Theater der Leere’, entwickelten die Schwammreliefs und die blauen Bilder in den Foyers, warfen Steine in den weichen Mörtel der Wandbilder und freuten uns an den kosmischen Kratern, die dabei entstanden. Wir ermächtigten uns gegenseitig, Ideen und Werke des anderen zu übernehmen und zu signieren. Wir planten in der ‘Stadt der 1000 Feuer’ Feuerskulpturen auf dem Theatervorplatz, gründeten, zur Fortführung unserer Gelsenkirchener ‘Bauhütte’ die ‘Schule der Sensibilität’, in der u.a. Jean Tinguely, 20 Lehrer und 300 Schüler ohne Lehrpläne und ohne Prüfungskommissionen an einem permanent wachsenden, sich ständig verändernden Bau wirken sollten.

Werner Ruhnau, 1999

Bildnachweis: Jean Tinguely (l) und Yves Klein im Rohbau des Neuen Stadttheaters Gelsenkirchen © bpk / Charles Wilp